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Mit Sütterlin in eine vergangene Zeit reisen

Heide Horn

13. Nov. 2014

Senioren drückten begeistert die Schulbank

Lange waren sie in Schubladen aufgehoben worden. Ungelesen. Tagebücher, Briefe und Gedichte, die von Eltern und Großeltern in den ersten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts in Sütterlin geschrieben worden waren - von den nachfolgenden Generationen nicht zu entziffern. Was haben diese Texte zu erzählen? In Unterfeldhaus wurden sie jetzt zu neuem Leben erweckt. Das Interesse daran, diese aus dem Altdeutschen entwickelte Schrift schreiben und lesen zu lernen war und ist groß. Das bewiesen die Anmeldezahlen zu einem vom Bürgerverein Unterfeldhaus-AKTIV angebotenen Sütterlin-Kursus.

„Ich war schon ziemlich sicher, dass Anmeldungen kommen würden. Aber dass die Nachfrage so stark sein würde, hat mich überrascht. Nach dreißig Namen habe ich eine Warteliste eingerichtet“, erklärt Heide Horn vom Bürgerverein „Die Kirchengemeinde am Niermannsweg stellte uns für die Durchführung des für die Teilnehmer kostenfreien Kurses einen Raum zur Verfügung. Eine ehemalige Lehrerin hatte sich bereit erklärt, ehrenamtlich den Unterricht zu übernehmen.“ Damit waren die wichtigsten Voraussetzungen geschaffen. Drei Stunden waren zunächst geplant. Die Begeisterung war jedoch so groß, dass drei weitere Stunden angehängt wurden.

Zu Beginn der ersten Stunde hatte Magdalena H., die sich für diesen Kurs selbst noch einmal intensiv in die Sütterlin-Schrift eingelesen hatte, sieben Buchstaben auf die große Tafel geschrieben. "ERKRATH" entzifferten die schon etwas kundigen Teilnehmer. In jeder Stunde kamen weitere Teile des Alphabets dazu. Mit großer Konzentration übten die lernbegierigen Schüler die neuen Buchstaben, die teilweise schon weißhaarigen Köpfe eifrig über die Hefte gebeugt. Ausgedruckt gab es auch Hausaufgaben mit. Zum Schreiben und Lesen.

„Aller Anfang ist schwer“, hatte Friedrich Küpper einen seiner fein säuberlich in Sütterlin geschriebenen Texte begonnen. Gemeinsam lasen die Kursteilnehmer seine Geschichten. Schwieriger wurde es, als sie die mitgebrachten Kopien alter Rezepte, von Tagebucheintragungen oder Gedichten „entschlüsseln“ sollten. Individuelle Schreibweisen stellten zusätzliche Herausforderungen. Für ganz knifflige Texte hatte Magdalena H. vorsichtshalber die „Übersetzung“ beigefügt. „Eine Lupe ist beim Entziffern oft hilfreich“, hatte Heiner Baltes, ehemals Trainer und Geschäftsführer des SC Unterbach, herausgefunden. Er ist dabei, Inhalte der aus dem Jahr 1920 stammenden Gründungsbücher für eine Chronik zum 100jährigen Bestehen des Sportvereins zusammenzustellen. Der Kurs in Sütterlin sollte ihm dabei helfen. Gisela Dräbert, die als Vereinsmitglied von Unterfeldhaus-AKTIV den Anstoß zum Sütterlin-Kurs gegeben hatte, freut sich jetzt darauf, in ihrem Poesiealbum endlich die in Sütterlin geschriebenen Einträge ihrer Lehrer lesen zu können. Bei Familie Lange werden übungshalber Einkaufszettel in Sütterlin verfasst. Über das Resultat ist nichts bekannt. Als Klassenprimus erwies sich Rudolf Schmidt. Er hat Sütterlin als Kind gelernt und in der Schule auch angewandt. Jetzt engagierte ihn die Sütterlin-Lehrerin dankbar als „Assistenten“.

„Üben ist wichtig“, gab sie ihren Schülern in der letzten Stunde mit auf den Weg – und dazu einen Stapel Kopien mit dem kompletten Alphabet und weiteren Lesebeispielen. Sie habe die Kursteilnehmer auf kurzweilige Art und Weise an die Sütterlin-Schrift herangeführt, dankte ihr Heide Horn im Namen der Schüler und des Vorstandes von Unterfeldhaus-AKTIV: „Das gemeinsame Lernen hat richtig Spaß gemacht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es uns jetzt mit ein bisschen Anstrengung gelingt, die alten Dokumente - bisher Bücher mit sieben Siegeln - zu lesen und zu verstehen. Damit gewinnen wir einen kleinen Einblick in das Leben unserer Vorfahren und eine vergangene Zeit.“

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